Das Waldtal - seine bewegte Geschichte bis heute
Wer in alten Geschichtsbüchern oder auf Landkarten und Stadtplänen nach dem Stadtteil „Waldtal“ sucht, sucht vergebens. Der Name wurde erst nach dem Krieg von engagierten Bewohnern – von Konrad Pfeifer und Erich Schröder – erfunden. Stattdessen finden sich auf alten Karten und Plänen die Flurbezeichnungen Knutzbachacker und Knutzbachtriesch.
Im großen Marburger Geschichtsbuch von Erhart Dettmering und Rudolf Grenz wird der Bereich der Knutzbach als Fundstätte für ein Steinbeil und zur Karolingerzeit für Funde von Gefäßbruchstücken der Wüstung „Breitenhausen“ angegeben.
In den zwanziger Jahren wurde mit den Häusern in der „Knutzbach“ die erste Bebauung im Waldtal vorgenommen. Schon damals wurden diese Häuser als Notwohnungen gebaut und boten überwiegend städtischen Arbeitern ein neues Zuhause.
Als im Februar 1945 der Marburger Bahnhof bombardiert wurde, schlugen Bomben auch im Waldtal ein. Einige Bewohner kamen dabei ums Leben.
In der Knutzbachsiedlung mußten 6 Häuser wieder aufgebaut werden, die bis auf die Grundmauern zerstört waren.
Während des Krieges entstanden Barackenlager für Zwangsarbeiter, die später für Kriegsgefangene genutzt wurden und noch später dienten die Räume Flüchtlingen als Unterkunft.
Bis Mitte des letzten Jahrhunderts hatten die Marburger Jäger ihren Schießplatz im jetzigen Waldtal.
In den Nachkriegsjahren dominierte der „soziale Wohnungsbau“, und die Bevölkerung verzehnfachte sich.
Heute leben ca. 2600 Menschen im Stadtteil. Davon wohnen ca. 1000 StudentInnen im Studentendorf, ca. 20 % des Wohnbestandes besteht aus Wohneigentum, den restlichen Wohnungsbestand teilen die Wohnungsbaugesellschaften wie die Gemeinnützige Wohnungsbau GmbH Marburg (GeWoBau), die Wohnungsgesellschaft mbH, Hessen (GWH), die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt und die Deutsche Annington zwischen sich auf.
In den 1960er Jahren wurde das größte Studentendorf der Universitätsstadt am süd-östlichen Randbereich des Waldtals gebaut.
Mit der Erschließung der Lahnberge über die Panoramastraße veränderte sich die Verkehrsanbindung entscheidend.
Mittlerweile ist das Waldtal über den öffentlichen Nahverkehr an alle Bereiche der Stadt angebunden.
Die Menschen, die im Waldtal leben, kommen aus fast allen Schichten; aus vielen verschiedenen Ländern; mit unterschiedlichen Kulturen und Bildungsabschlüssen und haben oft ein bewegtes Leben hinter oder noch vor sich. Ein Großteil der Marburger Obdachlosenwohnungen befindet sich ebenso im Waldtal. So vielfältig, wie die hier lebenden Menschen sind, sind auch die Stärken und Schwächen, die sie mitbringen und die Probleme, die sie alltäglich bewältigen müssen. Darüber hinaus ist das Waldtal aber auch ein aktiver Stadtteil. Das Engagement drückt sich in zahlreichen Initiativen und Vereinen aus.
Drei wesentliche Vorzüge bietet das Waldtal für seine Bewohner: die Nähe zum Wald, der nicht vorhandene Durchgangsverkehr, sowie eine gewachsene Nachbarschaft. Doch nach wie vor stellen sich an den Stadtteil und seine BewohnerInnen zahlreiche Anforderungen: die Integration von Zuwanderern, die Aktivierung von Nachbarschaftsaktivitäten, die Entwicklung von Zukunftsperspektiven für die BewohnerInnen in schwierigen Lebenssituationen, sowie die Weiterentwicklung der Infrastruktur des Stadtteils.
(siehe auch Festschrift 30 Jahre Waldtalgemeinde, Festschrift 60 Jahre „ARGE“ 2013 (Artikel „Waldtal“ v. Uli Severin), Homepage AKSB und Voruntersuchung in Hinblick auf die soziale Stadt, Marburg-Waldtal von Jürgen Kaiser)